Von den Anfängen 1919 bis zum Verbot durch die Nazis 1933
Der Versuch, die Not zu lindern, der große Teile der deutschen Bevölkerung während und nach dem Ersten Weltkrieg ausgesetzt waren, führte vor 100 Jahren zur Gründung der Arbeiterwohlfahrt. Dabei spielte auch eine entscheidende Rolle, dass mit der Einführung des Wahlrechts für Frauen und der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung am 19. Januar 1919 erstmalig 37 Frauen im Parlament in Weimar saßen. Dadurch stieg der Einfluss von Frauen in der Politik allgemein, besonders aber in der SPD. So wurde die Forderung nach „Arbeiterwohlfahrt“ auch im SPD-Parteivorstand unterstützt.
Am 13. Dezember 1919 tagte der Parteivorstand der SPD im „Vorwärts“-Gebäude in Berlin. Auf Anregung der Abgeordneten und Frauensekretärin der Partei, Marie Juchacz, beschloss das Gremium die Gründung eines „Hauptausschusses für Arbeiterwohlfahrt“. Marie Juchacz wurde mit der Leitung des Ausschusses beauftrag. Sie kann also zu Recht als erste AWO-Vorsitzende bezeichnet werden.
Ab 1920 breitete sich die Arbeiterwohlfahrt mit Bezirksvereinen und Ortsvereinen über ganz Deutschland aus. Die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ortsvereinen der Arbeiterwohlfahrt - zwei Drittel der Mitglieder waren Frauen - versuchten, die Not vor Ort zu lindern und den Bedürftigen ein menschliches Überleben zu sichern. Neue Wege der Kinderverschickung wurden erprobt. Die Schwerpunkte der Arbeit waren Notküchen, das Verteilen von Nahrungsmitteln und Kleidung sowie die Beratung der Menschen, die ihre Ansprüche bei den Wohlfahrtsämtern geltend machen wollten.
In der Folgezeit wuchs die Arbeiterwohlfahrt stetig, fest eingebettet in das „sozialdemokratische Milieu“ aus SPD, Gewerkschaften, den Arbeitervereinen für Sport, Musik und Wandern und später dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold.
1931 waren 135.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer der AWO in der Kindererholung und im Kinderschutz, in der Altenbetreuung und Jugendhilfe, in Notküchen und Werkstätten für Behinderte und Erwerbslose sowie in Selbsthilfenähstuben tätig. Die Arbeiterwohlfahrt war Helferorganisation für alle bedürftigen Menschen, unabhängig von Herkunft oder Weltanschauung.
Bereits 1926 wurde der Reichsverband der Arbeiterwohlfahrt ein „eingetragener Verein“, trotzdem betrachtete man die AWO weiterhin als Teil der SPD.
Am 30. Januar 1933 kam Adolf Hitler an die Macht. Nur wenige Wochen später wurde die Arbeiterwohlfahrt, wie alle Organisationen und Einrichtungen sozialdemokratischer Ausrichtung, von den Nationalsozialisten verboten und zwangsweise aufgelöst. Ihr nicht unbeträchtliches Vermögen, das insbesondere aus Vereins- und Erholungsheimen bestand, wurde beschlagnahmt.
Vom Neubeginn 1945 bis heute
Unmittelbar nach Kriegsende im Jahre 1945 begann der Wiederaufbau der AWO. Sie wurde 1946 in Hannover als eigenständige Organisation wieder ins Leben gerufen. Verfolgung, Verbot, Krieg und Verwüstung hatten Ideen nicht zerstören können. Die Ortsvereine der Arbeiterwohlfahrt in den Westzonen wieder ihre Arbeit auf. AWO-Helferinnen und Helfer kümmerten sich um Evakuierte und Flüchtlinge, Heimkehrer, Alte und Einsame, um junge Menschen, die Heimat und Eltern verloren hatten. Kinder- und Jugenderholungsmaßnahmen wurden wieder angeboten, nach alter Tradition wurden Nähstuben, aber auch Einrichtungen der Hauswirtschaft und Mütterbildung eröffnet.
In der DDR gab es die AWO nicht.
Organisatorisch ging die AWO neue Wege. Ohne die Nähe zur sozialdemokratischen Arbeiterbewegung zu verlieren, gründete und organisierte sie sich als selbständiger, überparteilicher und überkonfessioneller Verband, der sich 1947 auf der Reichskonferenz in Kassel neue Richtlinien gab.
1953 erklärte Lotte Lemke, die damalige stellvertretende Vorsitzende, auf der Berliner Reichskonferenz der AWO: "Heute ist aus der Arbeiterwohlfahrt der Weimarer Zeit eine Wohlfahrtsorganisation geworden, deren Aktionsradius weit über den Kreis der zur Arbeiterschaft rechnenden Bevölkerung hinausgreift".
In diesen Jahren wurden Kindergärten und Horte neu eingerichtet, Volksküchen gaben Mahlzeiten an Kinder, Alte und Kranke aus, Kriegsgefangene und ihre Angehörigen wurden betreut und mit Lebensmitteln versorgt, eine Schwesternschule wurde eröffnet und eine AWO-Schwesternschaft gegründet. In Karlsruhe wurde das "Seminar für Sozialberufe" als Ausbildungsstätte eröffnet. Die AWO wurde tätig auf allen Feldern der sozialen Arbeit.
1959 hatte die AWO 300.000 Mitglieder in 5.000 Ortsvereine, 353 Heime, 250 Kindergärten, 4.000 hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und über 70.000 Helferinnen und Helfer.
Am 9. November 1989 fällt die Mauer in Berlin. Am 3. Oktober 1990 ist Deutschland wiedervereinigt. In West-Ost-Partnerschaften organisiert, beginnt auch die AWO in den fünf neuen Bundesländern mit einem dynamischen Aufbauprozess, sie erhält jetzt Einrichtungen zurück, die zum Teil 1933 enteignet wurden. Ein Jahr nach dem Fall der Mauer schließen sich die Landes- und Bezirksverbände der AWO in ganz Deutschland auf einem Bundestreffen in Berlin am 10. November 1990 zusammen. Die AWO ist flächendeckend in allen Bundesländern tätig.
Die AWO heute
Die AWO wirkt auch politisch, sie fordert Reformen und Veränderungen in der Sozialpolitik, in der Gesundheitspolitik, in der Familienpolitik und in der allgemeinen Fürsorge um den Menschen und seine soziale Sicherung. Daraus sind Gesetze entstanden, die Rechtsansprüche auf soziale Hilfen garantieren. Als ein Beispiel unter vielen gilt dafür die sozialrechtliche Sicherung des Pflegefallrisikos. Die AWO unterstützt die Schaffung einer Grundsicherung für Kinder, um der herrschenden Armut von Kindern in Deutschland zu begegnen.
Die AWO hat neue soziale Aufgaben übernommen, die im gesellschaftlichen Wandel ihren Ursprung haben. Dazu gehören seit Beginn der 60er-Jahre die Betreuung der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, später von Migrantinnen und Migranten, die stationäre und ambulante Altenhilfe, die Suchtberatung und sozialpsychologische Betreuung.
Heute ist die AWO in größerem Maße als früher Trägerin sozialer Dienstleistungen. Die Arbeiterwohlfahrt ist ein anerkannter Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege mit fast 15.000 Einrichtungen und Diensten, in denen 300.000 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende tätig sind. Sie ist zugleich Mitgliederverband mit zirka 300.000 Mitgliedern in 3500 Ortsvereinen, 411 Kreis- und 30 Bezirks-und Landesverbänden.
Ihre humanitäre Ausrichtung und die aus der Arbeiterbewegung abgeleiteten Grundwerte Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit bestimmen auch nach 100 Jahren jedes Handeln in der Arbeiterwohlfahrt. Auch die wirtschaftliche Tätigkeit der AWO orientiert sich an den Grundwerten des Verbandes.
Die AWO ist ein Teil von Solidar, einem Zusammenschluss europäischer Sozialverbände. Der Fachverband AWO International leistet Hilfe weltweit, der Schwerpunkt ist Indien und Lateinamerika.
Die AWO in Baden
Anfang der 1920er-Jahre breitete sich die AWO auch im Südwesten mit zahllosen Ortsvereinen aus. Der AWO-Bezirksverband Baden e.V. ist eine von 30 Landes- und Bezirksorganisationen der Arbeiterwohlfahrt in Deutschland. Er umfasst das Gebiet der Regierungsbezirke Karlsruhe und Freiburg.
Der Bezirksverband bietet gemeinsam mit den Kreisverbänden und Ortsvereinen vielfältige und umfassende soziale Dienstleistungen an: Einrichtungen für Senioren, für Kinder und Jugendliche, für Familien sowie für kranke und behinderte Menschen. Als Dienstleister betreibt die AWO Baden e.V. in 22 Kommunen 30 soziale Einrichtungen. In diesen und in der Karlsruher Geschäftsstelle sind über 5000 Mitarbeitende haupt- und ehrenamtlich beschäftigt.
19 Kreisverbände und 180 Ortsvereine mit über 15.000 Mitgliedern gehören zum AWO Bezirksverband Baden e.V.. Dazu kommen noch zahllose Einrichtungen von der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe bis zu Angeboten für Erwerbslose und Menschen mit Migrationshintergrund. Schwerpunkte der Arbeit bilden jedoch Angebote für ältere Menschen im ambulanten und stationären Bereich. Im Betreuten Wohnen zählt die AWO zu den größten Anbietern in Baden.
Die AWO im Landkreis Karlsruhe
Mit zunächst nur wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist der Kreisverband Karlsruhe-Land e.V. seit seiner Gründung im Jahre 1975 kontinuierlich gewachsen.
Der Kreisverband hat heute 18 Ortsvereine, zu denen auch Ettlinen zählt, mit zirka 2.000 Mitgliedern und rund 500 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den verschiedensten Einrichtungen.
2005 entschied der Kreisvorstand, die meisten Einrichtungen in gemeinnützige AWO-Gesellschaften auszulagern, die aber nach wie vor Teil des Kreisverbands sind.
Die Beschäftigten des Kreisverbands arbeiten in Seniorenzentren, Sozialstationen, Betreuten Wohnanlagen, sogenannten Zwergenstuben für Krabbelkinder, Kindergärten und Kindertagesstätten, Schülerhorten, Jugendzentren und in den sozialen Kaufhäusern der „Schatzgrube“. Die Tätigkeitsfelder reichen von der Tagespflege, Verhinderungspflege, Betreuungsgruppen, Beratungsstellen über Essen auf Rädern, Kinderhilfe, Jugend- und Familienhilfe bis hin zu Projekten wir Haushaltsauflösungen, Umzugsservice. Soziale Gruppenarbeit, offene Jugendarbeit und Schulsozialarbeit gehören ebenso dazu. Daneben betreibt der Kreisverband Karlsruhe-Land eine Großküche, die den Mittagstisch für Kitas, Schulen, Schülerhorte, Pflegeheime und das Essen auf Rädern liefern.
Diese Aufgaben werden durch Hilfen ergänzt, die nach wie vor ehrenamtlichen AWO-Mitglieder vielen Kommunen des Landkreises Karlsruhe anbieten, unter anderem Selbsthilfegruppen, Betreuungsgruppen für an Demenz erkrankte Menschen, der Hausaufgabenhilfe, Freizeiten für Kinder sowie den Ortsranderholungen.
Der Ortsverein Ettlingen
1924 forcierte der damalige SPD-Vorsitzende Josef Stöhrer die Gründung eines Ortsvereins der AWO. Stöhrer wurde auch deren erster Vorsitzener. Ein Grund war, dass die Arbeiterwohlfahrt an der Wohlfahrtspflege, die bis dahin in den Händen der Kirchen und der Kommune lag, beteiligt werden wollte.
1933 wurde auch die Ettlinger AWO verboten und das Vereinsvermögen von der Polizei beschlagnahmt.
Schon 1945 ging es bei der Ettlinger AWO mit Stadtranderholung, Nähstuben, Suppenküchen und anderen Aktivitäten wieder los. 1954 baute die AWO Im Ferning 6 einen Kindergarten, der auch den Namen „Im Ferning“ trug.
Anfang der 1960er-Jahre wurde ein Vereinsheim Im Ferning 8 errichtet, das 40 Jahre später von Grund auf erneuert und umgestaltet wurde und heute Karl-Still-Haus heißt.
Karl Still, SPD-Stadtrat und Träger des Bundesverdienstkreuzes war von 1974 bis 1999 Vorsitzender des Ortsvereins Ettlingen. Thomas Riedel hat dieses Amt seit damals inne.
Mit einem großen Festakt wurde am 15. Juni 2024 in Ettlingen das 100-jährige Gründungsjubiläum der hiesiegen AWO gefeiert.
Tori